Der Ukraine-Krieg und die Angst vor dem Börsencrash

Krieg in der Ukraine, der Weltaktienmarkt ist am Donnerstag des Angriffsbeginns um rund 3 % abgerauscht, hat sich am darauffolgenden Freitag aber wieder etwas erholt. Allerdings taumelt er seit einigen Wochen Richtung Süden. Ein paar Worte für geschundene Anleger-Seelen.

Angriff Russlands auf die Ukraine: Krieg als Börsencrash-Auslöser?

Die Welt ist in Aufruhr, und das, was ihr jetzt vielleicht spürt – also abseits eures Mitgefühls mit den unmittelbar betroffenen Menschen –, was ihr in Bezug auf eure Investments spürt, ist Ungewissheit oder sogar Angst: Wie geht der Krieg weiter? Wer wird hineingezogen? Was bedeutet das langfristig? Und wie wirkt sich das auf meine Geldanlage aus?

 

Es gibt natürlich gerade Wichtigeres als unsere Vermögensentwicklung, aber da ich in diesem Blog (und in meinem Podcast) genau darüber spreche, will ich euch ein paar Gedanken dazu mitgeben. Es hätte sich auch komisch angefühlt, darauf gar nicht einzugehen und mit dem eigentlich Geplanten fortzufahren. Also: Wir zittern gerade ein bisschen, wissen nicht so richtig, was auf uns zukommt.

 

Dieser Schmerz ist der Preis für die hohen Renditechancen der Börse. Und vermutlich werdet ihr ihn schon in wenigen Monaten oder Jahren vergessen haben. Egal, wie die Kurse sich entwickeln, ihr werdet denken: Na, das war damals ja absehbar, dass die Börse sich so verhalten wird, das hätte man wissen können. Und wenn ihr diesen Denkfehler begeht, dann erinnert euch an das Gefühl, das ihr heute habt. Es ist nämlich überhaupt nichts klar, niemand weiß, wie es weitergeht. Niemand weiß je, wie es an der Börse weitergeht. Soziale Systeme kann man nicht zuverlässig prognostizieren. Kontrolle kann man vergessen, im Leben wie an den Kapitalmärkten.

 

Jetzt zählt es: Halten wir das Ruder unserer Depots fest in der Hand, trotzen wir einem Börsensturm, sofern er denn aufzieht? Haben wir die Diamond Hands, die diamantstarken Hände, die die Wertpapiere festhalten? Oder knicken wir ein, weil wir zu weich sind für das, was Börse eben auch ist: Ein Spiegelbild der Ungewissheit unseres Lebens. Das ist sie jederzeit, nicht nur jetzt. Hart, abgebrüht und tapfer muss der passive Investor mit seinem ETF-Weltportfolio sein.

 

Am Rand: Jeder Unternehmer, dessen Vermögen überwiegend in einem einzigen Unternehmen steckt, hat mehr Risiko im Portfolio als jemand, der breit gestreut in tausende von Unternehmen investiert. Das Eigenkapital in einer Immobilie schwankt ebenfalls stark, und je größer der Fremdkapitalanteil, desto stärker sind auch die Schwankungen. Man sieht beides nur nicht so deutlich, deshalb glauben wir fälschlicherweise, dass diese Volatilität nicht existiert. Tut sie aber selbstverständlich.

 

Der Markt hat die Unternehmen abgewertet, weil er seine Gewinnerwartungen nach unten geschraubt hat. Der Krieg hat die Börse nicht "ins Chaos" gestürzt, wie ich am Donnerstag nach dem Angriff lesen konnte. Und falls ihr demnächst einer anderen typischen Überschrift begegnet: Nein, die Anleger flüchten nicht aus dem Markt. Das geht technisch nicht. Jede Aktie hat zu jedem Zeitpunkt einen Besitzer. Und sobald Kurse festgestellt werden können, hat es einen Handel gegeben, das heißt, jemand hat verkauft und ein anderer hat gekauft. Und natürlich sind Aktien insgesamt so liquide, dass da weit mehr Verkäufer und Käufer als nur jeweils einer unterwegs waren.

 

Es ist auch nicht so, dass jetzt nur noch so dusselige Privatanleger wie wir engagiert sind. Auch das ist unmöglich, wir könnten mit unseren kleinen Vermögen die dicken Aktienpakete der institutionellen Investoren gar nicht abnehmen. Nein, da sind nach wie vor auch ganz normale Profis, die jetzt wie üblich mit Aktien handeln. Ich betone das deshalb, weil man bei solchen falschen Überschriften schnell glauben kann, man steht allein auf weiter Flur, niemand ist mehr da, nur man selbst hat den Schuss nicht gehört – pardon für die Redewendung in dieser Zeit. Das ist natürlich nicht so. Ein paar Börsianer ziehen sich zurück, das passiert aber ohnehin ständig, andere stoßen neu hinzu, auch total normal.

 

Ich persönlich lasse mein Depot in Ruhe und betrachte die aktuelle Lage als Training für meine psychische Risikotragfähigkeit. Es geht darum, die eigene Ohnmacht zu akzeptieren und sich zu vergegenwärtigen: Das, was gerade passiert und eventuell noch passieren wird, ist normaler Börsenkram. Es gehört dazu. Es gab schon viel Schlimmeres, von dem sich die Märkte stets erholt haben. Das 20. Jahrhundert war voller Krisen globaler Art, die heute zum Teil vergessen sind, zum Teil nur blass durchs Bewusstsein wehen.

 

Mir hilft es in solchen Zeiten, mir nochmal Gerd Kommers „Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs“ zu Gemüte zu führen, insbesondere die Stelle, wo er gerafft auf zwei Seiten die Dramen des 20. Jahrhunderts aufzählt, die den Weltaktienmarkt zwar oft stark gebeutelt haben, ihn aber nicht zerstörten. Er erholte sich immer und strebte neuen Höhepunkten entgegen. In meinem Buch „Altersvorsorge mit ETFs“ gibt es auch ein Kapitel zur Risikotragfähigkeit, das dieses spezifische Unwohlsein beim Geldanlegen thematisiert. Es gibt außerdem bereits ein paar Podcast-Folgen dazu, hört mal rein.

 

Wir sitzen alle im selben Boot. Wir sind nicht alleine – viele, die meisten Anleger haben in den letzten Wochen Vermögen verloren. C’est la vie! Das ist das Spiel. Ihr solltet eure Aufmerksamkeit und geistige Kraft von eurem Depot weglenken und euch anderen Dingen widmen. Für mich jedenfalls ändert sich nichts, es wird stur weitergemacht.