Was ist Philosophie? Definition als einfache Erklärung für Anfänger

Was Philosophie ist und wie eine Definition lauten könnte, möchte ich im Folgenden für Anfänger beschreiben. Darüber hinaus gebe ich Buchempfehlungen zu Einführungen in die Philosophie (Werbung), anhand deren man einen ersten Eindruck bekommt und sich die individuell passenden, interessanten Gedankenwelten erschließen kann. Am Ende des Artikels gibt es eine kleine Liste mit Philosophie-Büchern für Einsteiger.

 

Denn es lohnt sich, auf dieses Fach zurückzugreifen, um sich und die Welt besser zu verstehen und souveräner in ihr agieren zu können. Und: Philosophie muss nicht "schwer" sein. Sie ist für die Menschen da.

Für die eiligen Anfänger: Knappe Definition von Philosophie

Philosophie ist kritische Reflexion der Fundamentalorientierungen des Menschen mit dem Ziel, geeignete Positionen zu finden.

 

Philosophie distanziert sich vom ideologisch Gegebenen, um es offen zu betrachten, und sie wittert ideologisch Gegebenes selbst dort, wo andere unhintergehbare Weisheit postulieren; nicht zuletzt wirft sie diesen befreienden Blick auf sich selbst. Sie formuliert existenzielle Richtungsfragen und beantwortet sie, ausgehend von: Wie wollen wir leben? Direkte oder indirekte Beiträge zum guten Leben sollten wir "Philosophie" nennen - und nur solche.

Philosophen, wörtlich etwa "Liebhaber der Weisheit", können daher "überall mitreden, ohne je zuständig zu sein", wie Andreas Urs Sommer in einem seiner Bücher feststellte.

 

Typische relevante philosophische Fragen, inhaltlich miteinander verbunden und sich teilweise überlappend:

  • Wer bin ich, will ich sein; wer sind wir, wollen wir sein?
  • Wo stehen wir, wo wollen wir hin?
  • Was sollen wir denken und tun?
  • Wie verhalten wir uns gegenüber den Entitäten der Welt?

Auch dort, wo es um andere Dinge als den Menschen geht, geht es letztlich um ihn.

 

Philosophen bzw. einzelne philosophische Gedanken lassen sich, nach Richard Rorty, nach Zuständigkeiten für zwei Bereiche einteilen:

  • Privat: Selbsterschaffung
  • Öffentlich: Politik, Kultur(en)

Die obigen Fragen zeigen bereits, dass es in der Philosophie sowohl um das Kammerspiel des Individuums als auch um die große Bühne der Gesellschaft geht.

Ich glaube nicht, dass Philosophie mit dem Staunen beginnt. Ich glaube, sie beginnt mit Orientierungsstörungen.

Sobald diese Orientierungsstörungen fundamental werden, riecht es philosophisch. Man muss allerdings nicht überall fundamental werden. Das unreflektierte Drauflosleben ist schön, wenn es funktioniert, was oft und lange der Fall ist. Philosophisches Hinterfragen muss man nötig haben, weil es irgendwo deutlich hakt (obgleich ein proaktiv waltendes kritisches Bewusstsein natürlich jedem Menschen prinzipiell gut ansteht).

 

Worüber man fundamental, also philosophisch nachdenken sollte und worüber nicht, ist ebenfalls eine (meta-)philosophische Frage: Wo ergibt Philosophie Sinn und wo nicht?

 

Es kann eine eigene, respektable Philosophie sein, über manches nicht nachzudenken.

Buchtipp Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie

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Was Philosophie ist, weiß keiner und jeder

Philosophie ist die einzige Wissenschaft, über die man nicht reden kann, ohne sie selbst zu betreiben - das war die Auffassung von Carl Friedrich von Weizsäcker in seinem Buch "Einheit der Natur". Doch es ist noch viel schlimmer: Sogar die Meinung, bei Philosophie handele es sich um eine Wissenschaft - und nicht zum Beispiel um eine Kunst -, ist hoch umstritten.

Das Bonmot spricht etwas aus, das man niemals, wenn man sich der Philosophie nähert, vergessen darf: Alles, wirklich alles, eben sogar bis zur Definition des Faches, ist kontrovers.

 

Die Denker konnten sich bisher außerdem nicht einigen, was ein philosophisches Problem ist und wie man solche Probleme löst. Sie disputieren auch darüber, ob es sich dabei um ewige, globale (jeden Menschen betreffende) Probleme handelt oder ob jede philosophische Frage zeit- und ortsgebunden ist. Von Großbegriffen wie "Wahrheit", "Realität", "Erkenntnis" etc. gar nicht erst zu reden.

Es gibt praktisch keinen philosophischen Wissensbestand, den man vorbehaltlos lehren und lernen kann. Zu den allermeisten Grundsatz- und Spezialfragen werden renommierte Stimmen laut, die jeweils Gegenteiliges behaupten, auch zu meiner Idee, dass es keinen festen Wissensbestand gibt. Übrigens: Schon wer behauptet, es gebe Grundsatz- und Spezialfragen, macht sich angreifbar und wird mit Sicherheit angegriffen werden.

 

Ein beliebtes Spiel ist es daher, seine eigene Philosophie als DIE Philosophie darzustellen und Kollegen auszugrenzen.

 

Für den Anfänger ist das verwirrend und abstoßend. Nach dem ersten Elan und einer sanft entfachten Neugier entschlummert seine Motivation schnell, wenn er sich auf seiner Lernreise fühlt wie schutzlos ausgeliefert einem wilden Ozean, der nichts Greifbares, Sicheres bietet und festes Land nur vortäuscht.

 

Das soll uns aber nicht betrüben. Wir nähern uns dem Ganzen in verdaulichen Häppchen. Wir beginnen mit einem kurzen, prominenten Video von Dr. Christian Weilmeier, der in seiner geerdeten Art in wenigen Minuten ins Thema leitet:

Erkenntnisse über die Wirklichkeit. Wirklich?

Weilmeier erzählt hier etwas, dem sicherlich viele zustimmen würden. Einige, unter anderem ich, jedoch nicht. Angeregt durch Philosophen wie Friedrich Nietzsche und Richard Rorty neige ich der Behauptung zu, dass Philosophen nicht die Wirklichkeit erkennen, sondern nützliche Bilder von der Wirklichkeit erschaffen. Es ist mehr ein Erfinden als ein Finden, nicht nur beim Philosophen. "Erkenntnistheorie" halten diese Leute für einen populären Irrweg und für grob überschätzt. Ergebnisse von Erkenntnistheoretikern (und Metaphysikern) sind entweder banal oder spekulativ.

 

Aber da das hier ein Ort für Philosophie-Anfänger sein soll, gehe ich darauf (noch) nicht weiter ein.

Weilmeiers Betonung der Strenge des Denkens ist hilfreich. In der Tat: Genau sein, sich präzise ausdrücken, gerade weil es in dem Fach um abstrakte Dinge geht, das lernt man. Seine Forderung, dass das, was ein Philosoph sagt, andere durch Vernunft nachvollziehen können müssen oder es keine Philosophie ist, ist gut gemeint, aber schwer zu realisieren. Es wird immer Kritik geben, manchmal an der logischen Schlüssigkeit, manchmal an anderer Stelle.

 

Weilmeier weiß das natürlich, nehme ich an. Daher meine Frage: Welche Mindestmenge an Zustimmung bei zurechnungsfähigen Hirnen muss denn erreicht sein, damit etwas Philosophie genannt werden darf? Und nicht etwa Religion o. ä. (wobei Religion mutmaßlich einen größeren Konsens herstellen kann als philosophische Auffassungen)?

Einführungen in die Philosophie

Professor Hoyningen-Huenes insgesamt sehr ausführliche Einführung in die theoretische Philosophie ist empfehlenswert, da er die Kontroversität des Faches betont und sehr lässig mit dem umgeht, was die großen Denker so von sich geben.

 

Ich verlinke dir hier den ersten Teil der ersten Vorlesung. Für die gesamte Strecke braucht man Geduld, aber es lohnt sich.

Sie wurde an der Uni für Studenten gehalten, entsprechend kannst du eigentlich bis zu Minute 9:30 vorspulen, denn vorher behandelt er Formalien des Studiums:

Zu Hans Joachim Störigs "Kleine Weltgeschichte der Philosophie" geht es hier entlang. Werbung

Wozu dient Philosophie?

Jedes Individuum und jede Gesellschaft verfügen über eine Werterangliste, über eine Hierarchie erstrebenswerter Güter. Darin spiegeln sich geistige Haltungen und Herangehensweisen zu grundsätzlichen Herausforderungen der menschlichen Existenz. Diese wiederum beruhen auf Selbst- und Weltbildern, wenn man so will: auf Ideologien.

 

Wenn klar ist, welche Werte/Güter warum auf dieser Rangliste verzeichnet sein sollen, welchen Platz sie jeweils einnehmen, was sie bedeuten und welche Einstellungen man braucht, um eine Chance zu haben, sie zu erhaschen, dann verlangt niemand nach Philosophie.

Sobald es aber Probleme mit der Werterangliste gibt, individuell oder gesellschaftlich, etwa weil die Auswahl der Güter und ihre Wichtigkeit unklar oder falsch ist, wir sie nicht richtig verstehen, sie miteinander konfligieren oder der Weg zu den notwendigen inneren Haltungen versperrt ist, dann tritt die Philosophie auf den Plan bzw. dann nennen wir die sich daraus ergebenden Gespräche mit sich selbst und anderen "philosophisch".

 

Einfaches Beispiel: Du wolltest eigentlich viel Geld haben und frei sein, bist dir neuerdings aber nicht mehr so sicher. Du stellst materiellen Reichtum grundsätzlich oder in seiner Wichtigkeit in Frage - warum auch immer - oder du zweifelst, ob deine inneren Haltungen richtig sind, um ihn zu erreichen. Jetzt philosophierst du bereits.

 

Falls du keine oder eine unzureichende, gar schlechte Vorstellung davon hast, was "frei sein" meint, und wissen willst, was das sinnvollerweise heißen könnte in einer Welt voller Beschränkungen, dann ist das ebenfalls Philosophie.

Die Grenze zu Ratgebern ist, das zeigt dieses Beispiel, längst nicht immer klar. Es existieren je nach Thema unterschiedlich große Graubereiche.

 

Das ist einer der Gründe, weshalb sich Philosophen zunehmend praktisch als Lebensberater betätigen. Wie sie das tun, habe ich in einem Artikel über das Phänomen der Philosophischen Praxis grob dargestellt.

Philosophie als Kritik

Philosophie, meinte Hegel, ist ihre Zeit in Gedanken gefasst. Ich ergänze: in kritische Gedanken gefasst, wenigstens im Idealfall. Manchmal kann sie deshalb auch 1 Minute über ihre Zeit hinausweisen - nach vorne oder nach hinten.

 

Philosophie wartet nämlich nicht immer brav ab, bis Zweifel am Pfeil des Lebens aufkommen, um dann zu reagieren. Sie kann diese Zweifel aktiv schüren und stellt so eine Gefahr für alle dar, die ein Interesse daran haben, den Zeitgeist zu betonieren.

 

Nietzsche hat sich als Philosoph expliziert, der mit dem Hammer Werte abklopft und falsche zerschlägt, und einer, der Philosophie ebenfalls als VerUNsicherunsgunternehmen begreift, ist der schon erwähnte Andreas Urs Sommer, dessen Buch "Die Kunst des Zweifelns" Werbung ich empfehle.

Fazit: Glaubt mir nichts!

Das Zitat von Weizsäcker aufgreifend, bleibt mir zu betonen, dass sich auch zu meiner kleinen Darstellung hier zahlreiche Adepten und Apologeten anderer Denkschulen finden werden, die meinen, dass das Käse ist und an der Essenz des Gegenstandes vorbeischlittert.

 

Ich denke aber, dass meine Empfehlung für Störigs Buch zur Einführung Werbung halbwegs konsensfähig sein dürfte.

Philosophie-Bücher für Einsteiger

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In der Philosophie gibt es haufenweise Spezialthemen. Eines ist die Frage Realismus vs. Konstruktivismus - bzw. "Neuer Realismus", wie ihn Markus Gabriel erfunden hat und vehement vertritt. Zu diesem Thema findest du hier einen kritischen Essay.

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Kommentare: 5
  • #1

    Königin von Preußen (Freitag, 19 Februar 2016 22:49)

    Für eine Anfängerin in Sachen Philosophie wie ich es bin, war dieser Text ein guter Einstieg, der Lust auf mehr gemacht hat. Besonders gut fand ich den relativ umgangssprachlichen Ton, mit dem du alles erklärt hast. Die Philosophie ist ja gern mit Fremdwörtern und komplizierten Satzgebilden gespickt und durch deinen Text habe ich wirklich mehr verstanden. Ich hoffe, daraus wird eine ganze Reihe!

  • #2

    AlexJ (Samstag, 20 Februar 2016 12:42)

    Blaublütiges Lob, na danke! Freut mich, wenn es süffig war und Lust auf mehr machte. Gut möglich, dass in loser Frequenz einige Denker hier vorgestellt werden, muss ich mir mal überlegen.

  • #3

    Henri Pose (Sonntag, 15 Januar 2017 13:07)

    Sehr anschaulich und gut geschrieben. Großes Lob!

  • #4

    Klaus-Peter Kostag (Mittwoch, 02 Mai 2018 09:17)

    Philosophie ist die Interpretation der Welt, jeder kann´s.
    Wenn die persönliche Abschlussthese, "Lebe glücklich" heißt, war es eine nützliche.
    Verschwender Karl Marx hat es länger gefasst: "Die bisherigen Philosophen haben . die Welt nur verschieden interpretiert. Es kömmt darauf an, sie zu verändern. "

  • #5

    AlexJ (Donnerstag, 03 Mai 2018 13:58)

    Danke für den Kommentar, der mich jedoch etwas ratlos zurücklässt:

    Fast jede geistige Disziplin, ja jede Tätigkeit des Menschen beruht irgendwie auf einer Interpretation der Welt. Demnach wäre alles Philosophie? Macht ja eigentlich keinen Sinn.

    Ein "Lebe glücklich" als Abschlussthese/-imperativ ist mutmaßlich etwas dünn bzw. blass: Was soll das bedeuten? Inwiefern hilft das?

    Zum Marx-Zitat: Es gibt meines Erachtens durchaus Philosophie, die etwas verändert - es ist sogar die interessante Seite der Philosophie. Man verlässt damit nicht das Feld, sondern erhebt es zu neuen Würden.