Buchtipp Hardboiled-Krimis: Fragwürdige Außenseiter im Dienste des Guten - vor allem in Großstädten wie Hamburg

Was ist ein Hardboiled-Krimi?

 

Ein traditionsreiches Genre, in dem unser Gastautor Henri Pose tätig ist. In diesem Artikel stellt er die typischen Hardboiled-Detectives vor und erklärt sein Metier. Seine Krimis spielen in Hamburg.

 

Von Henri Pose

Buchtipp Henri Pose: Der letzte Schwan + Mord an der Alster (Hamburg Krimis)

Der typische Typ

Ein Mann im Trenchcoat geht durch die nächtliche Großstadt; gefärbt in schwarz, weiß und 50 Graustufen. Der Wind ist rau, also schlägt er den Kragen hoch, zieht den Hut tief ins Gesicht und beginnt einen inneren Monolog, in dem er über die Tragik des Lebens sinniert.

 

Er lebt ein Leben zwischen Zwielicht und Askese, obwohl ihn sein scharfer Verstand weit hätte bringen können. Der Mann ist allein und von Zeit zu Zeit sogar einsam. Die einzigen Frauen, die in sein Leben treten, sind seine Klientinnen – und die entpuppen sich immerzu als Verräterinnen.

 

Er ist ein Zyniker, kennt nur Gut und Böse, ist umgeben von korrupten Polizisten und Femme Fatales.

 

Wem kommt das bekannt vor?

 

Vermutlich den meisten – egal, ob aus Büchern, den originalen Film Noir-Streifen oder aus Persiflagen und Adaptionen. Sie hatten vermutlich Humphrey Bogart vor Augen, der den oben beschriebenen Hardboiled Detective für viele Filmfans repräsentiert. Falls Ihnen diese Szene nicht bekannt vorkommt und Sie davon ausgehen, dass Sie mit der Ära der Hardboiled Detectives noch keinen Kontakt hatten, werde ich Ihnen bis zum Ende dieses Artikels das Gegenteil beweisen. Außerdem werde ich Ihnen einen Hardboiled Detective des 21. Jahrhunderts vorstellen.

Was genau ist ein Hardboiled Detective und woher kennt man ihn?

Wie oben bereits angeschnitten, handelt es sich in der Regel um einen Privatdetektiv, der sich gegen Geld und Ruhm entschieden hat und versucht, seine strengen Moralvorstellungen durchzusetzen. Diese sind oftmals identisch mit dem Gesetz und lassen somit kein Mitgefühl, jedoch auch keine Korruption zu.

 

Hierfür werden zwar immer wieder Schlupflöcher gefunden wie für Philip Marlowe in "Der lange Abschied". Dort hilft er seinem unter Mordverdacht stehenden Freund bei der Flucht aus dem Land, indem er ihn schlichtweg bittet, ihm nichts zu erzählen, obwohl er bereits ahnt, was passiert ist.

 

Die Schlupflöcher werden vor allem dann genutzt, wenn das Gesetz dem natürlichen Moralempfinden widerspricht.

 

Alle Hardboiled-Detectives eint jedoch, dass ihnen Geld nichts bedeutet, auch wenn sie immer wieder in Versuchung geführt werden. Ihre Auftraggeber sind oft Frauen, die auf den ersten Blick unschuldig und hilfsbedürftig wirken, sich dann aber als doppelzüngig entpuppen.

 

Zugegeben: Wenn man das Schema erkannt hat, ist die Auflösung oft nicht mehr so spannend. Aber zum Zeitpunkt ihres Erscheinens waren diese Krimis eine wahre Offenbarung.

 

Auf den ersten Blick scheint das Genre frauenfeindlich – denn immerhin sind in diesen Romanen fast alle schönen Frauen kaltherzige Schauspielerinnen, die ausschließlich auf ihr eigenes Wohl bedacht sind. Tatsächlich kann dieses Frauenbild aber auch als erster Schritt der Emanzipation weiblicher Krimi-Charaktere gesehen werden, da Frauen bis dato bloß Ja-sagende Sidekicks mit optischen Vorzügen waren, im Hardboiled-Genre plötzlich eigene Ziele und Meinungen hatten. Diese setzen sie im Gegenzug zu ihren männlichen Kollegen, die auf Gewalt schwören, jedoch durch das bewusste Spiel mit dem Klischee der Unschuld und Arglosigkeit durch.

 

Natürlich gibt es aber auch im Hardboiled Genre immer mal wieder eine Ausnahme und es tritt eine Frau ins Leben des Privatermittlers, die zwar eigensinnig ist und nicht immer gesetzeskonform handelt, aber moralisch als gut zu bewerten ist. Diese lässt den Protagonisten oft ein Leben lang an sie denken, auch wenn es nie zu einer tatsächlichen Beziehung kommt.

Was ist Moral?

Ein Mann wird zu Unrecht des Mordes angeklagt, doch die bisherigen Hinweise sprechen gegen ihn. Jedoch könnte durch seine Mithilfe der wahre Täter gefunden werden. Andererseits ist die Polizei korrupt und könnte sich gegen den Mann wenden. Das Gesetz sagt, der Mann muss sich stellen, und die staatlichen Institutionen entscheiden dann über Schuld oder Unschuld.

 

Dieser Mann kommt zu Ihnen nach Hause und bittet Sie um Hilfe dabei, ihn aus dem Land zu schaffen. Zusätzlich bietet er Ihnen eine ganze Stange Geld.

 

Das ist zwar nicht rechtens, doch sie könnten Ihre Mithilfe dadurch rechtfertigen, dass der Mann eine Waffe hatte, die er jedoch – wie Sie wissen – niemals gebrauchen würde. Würden Sie ihm helfen, die Polizei rufen oder sich heraushalten?

 

Vor solche moralischen Konflikte stellt die Hardboiled-Literatur den Leser. Oft ist eine klare Antwort kaum möglich. Der Hardboiled-Detective hat eigene Moralvorstellungen, die meist näher am Gesetz sind als die Handlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft. Immer wieder bewegt er sich in eben solchen Grauzonen, während die Polizei die Täter mit Samthandschuhen anfasst und dem Privatdetektiv Steine in den Weg legt.

Hardboiled-Krimis: Allerorts beliebt

Am Anfang habe ich angekündigt, Sie – falls Sie nicht glauben, je mit dem Hardboiled-Genre in Berührung geraten zu seinen – vom Gegenteil zu überzeugen.

 

Nun könnte ich darauf eingehen, dass sich das Genre in den letzten Jahren einem weniger machohaften Frauenbild angenähert hat und die Protagonisten oft weniger extrem handeln und ihm auch viele moderne Bücher, Filme und Serien zuzuordnen sind.

 

Mache ich aber nicht, denn die Hardboiled-Detectives haben bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ihre Spuren hinterlassen und damit die gesamte literarische und Film- und Fernsehlandschaft nachhaltig geprägt:

 

Ohne diese Figuren gäbe es heutzutage keine harten Kommissare, keine skrupellosen Privatdetektive und im Übrigen auch keine melancholischen Ermittler europäischer (vor allem schwedischer) Kriminalliteratur, denn diese sind ebenfalls Abkömmlinge der ehemaligen Hardboiled-Detectives, die als amerikanischer Archetyp des Krimi-Protagonisten gelten.

 

Jeder von uns hat also schon einmal direkten oder indirekten Kontakt mit diesem Genre gehabt.

Ein Fall fürs Museum?

Wenn Sie an die latente Frauenfeindlichkeit, die cowboyartige Vorgehensweise und das machohafte Verhalten dieser Männer denken, stellen Sie sich mit Sicherheit die Frage:

 

Haben diese Männer noch einen Platz in der heutigen Unterhaltungslandschaft?

 

In ihrer Ursprungsform sicherlich nicht mehr.

 

Die Plots sind ausgelutscht, die Charaktere bekannt und das Frauenbild antiquiert. Doch es gibt auch moderne Hardboiled-Krimis, in denen zwar Melancholie und Einsamkeit die Protagonisten antreiben und sie nach ihrer eigenen unumstößlichen Moral handeln, jedoch ein deutlich moderneres Frauenbild haben und auch moderne Plots mit überraschenden Wendungen zulassen.

 

Ich bin selbst ein großer Fan dieses Genres und habe deswegen mit der Unterstützung des Ullstein Verlages meinen ersten modernen Hardboiled-Krimi "Der letzte Schwan"als eBook veröffentlicht. Ein weiterer Teil der Reihe lautet "Mord an der Alster".

 

Diese Hardboiled-Krimis sind deshalb so beliebt, weil viele Krimi- & Thrillerleser vom hohen Gewaltgrad und den eindimensionalen Charakteren der neuesten Spannungsliteratur übersättigt sind.

 

Wenn Sie mal etwas Neues testen möchten, kann ich Ihnen dieses Genre nur wärmstens empfehlen!

Hardboiled-Lexikon

PI (auch Private Investigator oder Privat Eye)

So werden im Original die Hauptcharaktere genannt.

 

Femme Fatale

Eine der bekanntesten Nebenfiguren im Hardboiled-Genre. Es handelt sich um bildschöne Frauen, die auf den ersten Blick unschuldig wirken und sich selbst als Opfer darstellen. Oftmals spielen sie jedoch nur eine Rolle und verfolgen eigene dunkle Ziele. Sie schrecken nicht davor zurück, sich an den PI heranzumachen, um ihre Ziele zu erreichen.

 

Hardboiled

Hartgekocht, so sind die Protagonisten des Genres. Der Begriff soll eine Abgrenzung zu den wenig stringenten Hauptfiguren anderer Krimis darstellen.

 

Film Noir

Die filmische Interpretation der Hardboiled-Krimis.

 

Raymond Chandler & Dashiell Hammett

Die beiden Begründer des Hardboiled-Genres. Hammett arbeitete jahrelang bei der Detektei Pinkerton.

 

Sam Spade & Philip Marlowe

Die berühmtesten Hardboiled-Figuren der beiden Autoren.

 

Harry Bosch

Geschaffen von US-Autor Michael Connelly, ist er ein moderner Hardboiled-Detective, der im Gegensatz zu den meisten seiner Gattung kein Privatdetektiv, sondern Polizist ist.

 

David Brügge

Die deutsche Interpretation, der bereits zweimal in Hamburg ermittelt hat.

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