Wie viel solltest du sparen? Einige harte, unpopuläre Gedanken über Lebensstil und Glück. Und warum ich diese Artikelserie schreibe.

Du solltest mindestens 15 % deines Nettoeinkommens für die langfristige Vermögensbildung sparen. Demnach nicht für größere Konsumausgaben wie Autos, Reisen, Möbel oder Ähnliches. Das muss, sofern gewünscht, aus dem verbliebenen Rest bezahlt werden.

Wenn du die 15 % nicht hast, obwohl du monatlich für dich allein mindestens 1.700 Euro netto verdienst und keinen außerordentlichen finanziellen Mega-Horror-Schicksalsschlag zu verdauen hast, lebst du über deine Verhältnisse.

 

Nein, es gibt hier leider keine Ausnahme. Ja, ich kann das so pauschal sagen, schere alles über einen Kamm und lasse dir, postmodernem Millenial, nicht das Schlupfloch des Individualismus, den du so liebst und reflexhaft einforderst, um deinen finanziell verantwortungslosen Blödsinns-Lifestyle zu rechtfertigen.

 

Es ist ein politischer Skandal, dass viele Vollzeitbeschäftigte in Deutschland ein Nettogehalt von 1.700 Euro, was übrigens noch unter dem Medianeinkommen für Einzelpersonen in Deutschland liegt, nicht erzielen und, wenn sie darüber verfügen, besonders in Großstädten mit ziemlich spitzem Bleistift rechnen müssen, um meine Sparvorgaben einzuhalten.

 

Unabhängig von höchstens mittel- bis langfristig zu erfüllenden Forderungen nach Gerechtigkeit steht jeder Mensch jedoch vor der Aufgabe, kurzfristig mit konkreten Realitäten seines Daseins im Hier und Jetzt umzugehen, deren Änderung zum Besseren ungewiss ist. Wer also Vermögen bilden will, muss jeden Monat zuallererst sein späteres Selbst bezahlen. Finanzielle Sicherheit beginnt 30 Jahre vorher mit finanzieller Disziplin.

Bringe Opfer und bilde Vermögen

Das – und nichts anderes – sollte dein erstes Gebot sein. Vergiss „Ich habe hart gearbeitet und will mir was gönnen.“. Du kannst dich für Geleistetes gerne belohnen. Nimm das aber nicht als Ausrede dafür, mehr als 85 % deines Nettoeinkommens zu verpulvern. Bezahle jeden Monat zuerst immer dich in 30 Jahren. Belohn dich mit klugen Entscheidungen, die zu einem Vermögen führen, das diesen Namen verdient.

 

So zumindest habe ich das immer gehandhabt, sogar schon, als ich noch wegen eines deutlich schmaleren Einkommens trauerte. Mein Lebensstandard wächst immer nur um maximal 50 % einer jeweiligen Netto-Einkommensverbesserung, sodass ich überproportional viel Geld zurücklege. Aber ich werde von Freunden auch damit aufgezogen, dass ich mein Konfirmationsgeld bis heute nie ausgegeben habe (tatsächlich hatte ich nie weniger Vermögen als direkt nach der Feier vor 20 Jahren).

Was dich vermutlich mehr befriedigt als Geldausgeben

Ich bin kein Asket, nicht geizig.

 

Aber sparsam.

 

Aufmerksam für die kleinen und großen Geldfresser, die meine Vermögensbildung verhindern. Und ziemlich restriktiv bei Dingen, die ich nur kaufen würde, um irgendwo dazuzugehören. Oft habe ich auf Geldausgeben einfach keine Lust, weil mich die Dinge, die man mit Geld erwerben kann, selten ernsthaft interessieren.

 

Ich will den fröhlichen Konsum gar nicht verurteilen – irgendwer muss ja auch Geld in den Kreislauf pumpen, damit es sich bei mir mehren kann. Nein, Spaß. (Oder?) Ich hege sogar Sympathie für die hysterisch dionysische Mortalitätsannahme „Ich weiß doch gar nicht, ob ich in 10 Jahren noch lebe, was soll ich dann für 30 Jahre planen?“, vertraue bei Geldfragen aber doch auf meine statistische Lebenserwartung.

 

Und ich setze darauf, dass ein konsumtiver Fokus zwar GlücksMOMENTE verschafft oder unterstützt, GlücksZUSTÄNDE aber in der einsamen wie gemeinschaftlichen produktiven Nutzung meiner Fähigkeiten zu erreichen sind.

Kleiner provokativer Impuls zum Reisen

Versuche doch einmal, nur als erst einmal harmloses Gedankenspiel, das permanente, teure Gerenne ins Ausland, um dein Leben in der Heimat zu ertragen, lediglich als eine ganz passable Überbrückungsmaßnahme zu sehen, als ein Provisorium, Narkotikum.

 

Es verändert dich häufig nicht.

 

Es bildet dich demnach nicht und hilft dir auch nicht dauerhaft bei deinen Problemen.

 

Du konsumierst, deinem Elend entfliehend, eine Reise und begaffst die Welt, suchst auf komfortable Weise ein bisschen Kribbeln im Bauch und Wonne für die Seele – dagegen ist nichts einzuwenden, kann man machen, ist auch ganz nett, man kommt mal raus und lüftet den Kopf, lenkt sich ab.

 

Das taugt aber nicht als Fundament für ein erfülltes Leben. Wer von Urlaub zu Urlaub lebt und dazwischen vorrangig über Urlaub nachdenkt, lebt schlecht.

 

Überhaupt sollten deine Gedanken nicht ständig ums Geldausgeben kreisen. Häufige und überteuerte Reisen gehören zu den schwerwiegendsten finanziellen und lebensphilosophischen Irrtümern der Mittelschicht.

Was vielleicht eher zur Zufriedenheit führt

Du musst etwas schaffen, irgendetwas, musst dich einbringen mit dem, was du kannst und worauf du Lust hast, und es sollte ein bisschen anstrengend sein, vielleicht sogar etwas wehtun. Muss nichts Großes sein.

 

Das und nichts anderes befriedigt, stärkt und hält dich bei Laune und im Gleichgewicht. Dann brauchst du auch nicht durch die City zu bummeln, um Gedöns zu erwerben – denn du hast einfach andere Themen in deinem Hirn.

 

Am schlimmsten ist es, wenn du für deine Reiserei oder andere Konsumgegenstände (Wohnungseinrichtung, Auto, der übliche Plunder) Kredite aufnimmst.

Schon zu Beginn der Pubertät kann ein Mensch begreifen, was Zinsen für Konsumkredite sind: Kosten dafür, dass man nicht warten konnte

Schuldentilgung sollte immer an erster Stelle stehen, das gilt besonders für Konsumschulden, die du gar nicht erst machen solltest. Konsumschulden gehen immer zurück auf Armut, Dummheit oder beides.

 

Gründe für Armut sind vielfältig und liegen oft zu großen Teilen nicht in der betroffenen Person. Gründe für Dummheit sind ebenso vielfältig, liegen aber häufig in der betroffenen Person, und ab einem gewissen Alter muss jeder die volle Verantwortung für seine Dummheit übernehmen, aus der nicht nur Konsumschulden, sondern auch diverse andere unnötige finanzielle Fehlentscheidungen resultieren. Dieses Alter liegt deutlich vor dem 30. Lebensjahr.

 

Dummheit kann durch Skepsis und selbstangestrengte Bildung ausgeglichen werden. „Kapier ich nicht, muss ich in Ruhe überlegen.“ ist eine gute Grundhaltung, auch für kognitiv gesegnete Exemplare, denn vieles versteht man nicht ausreichend, obwohl man es glaubt.

 

Besonders bitter: Je dämlicher man ist, desto weniger begreift man seine eigene Dämlichkeit. So wie es möglich ist, dass wir die massereichsten Planeten im Weltraum nicht sehen, weil sie die Raumzeit so weit krümmen, dass kein Licht von ihnen zu uns gelangt, so könnte es sein, dass wir gar nicht ermessen können, wie gigantisch das Reich unserer Blödheit ist, weil wir eben zu beschränkt sind, sie zu erkennen (Astrophysiker mögen mir mein Halbwissen verzeihen).

 

Ich habe mir deshalb angewöhnt, davon auszugehen, dass ich erst einmal doof und unwissend bin und daher schlimm ausgetrickst werden könnte, aber viel verstehe, wenn ich mich dahinterklemme.

 

Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Trotzdem müssen wir in der Gegenwart die bestmöglichen finanziellen Entscheidungen treffen. Denken hilft hier zwar nur bis zu einem gewissen Grad, doch dieser Grad ist bei den Deutschen definitiv noch lange nicht erreicht.

Einige Eltern wählen Dummheit uneingestanden als Erziehungsziel für ihre Kinder, indem sie ihnen kritisches Denken allgemein vorenthalten, ihnen nichts Wertvolles über Geld beibringen, kein Gefühl für Geld vermitteln, ihnen stattdessen Selbstwertverletzungen zufügen und sie darauf trimmen, ständig irgend einen Quatsch zu kaufen, um das wieder auszugleichen, also um das eigene Leben zu füllen, sich von der Verzweiflung fernzuhalten und Nachbarn, Verwandte und Freunde zu beeindrucken oder wenigstens gedankenlos zu imitieren. Um „mitzuhalten“. Durch üppigen demonstrativen Konsum zeigen wollen, was man erreicht hat – verheerende Krankheit unsicherer Aufsteiger.

Was finanzielle Freiheit für mich bedeutet

Was bedeutet finanzielle Freiheit oder Sicherheit für mich? Ich träume nicht vom Ausstieg. Es geht nicht darum, nicht mehr arbeiten zu müssen. Sondern im Notfall längere Zeit auch ohne Arbeit auskommen zu können, wenn sich mir der Zugang zu ihr verschließt, und nicht so viel von dem zu tun, was ich ablehne, und eher arbeiten zu können, was und wie ich will. (Was bitte nicht bedeuten soll, dass ich aktuell unglücklich bin.)

 

Dazu soll mein Vermögen so groß sein, dass ich unter Berücksichtigung der Inflation mindestens 15 Jahre davon leben könnte, auch wenn das Kapital in dieser Zeit keine Rendite mehr abwerfen würde. Ich bin dann zwar immer noch nicht frei, weil ich nach wie vor anderen Umweltfaktoren ausgesetzt bleibe. Absolute Sicherheit und damit positive Freiheit gibt es im Leben nie. Aber ich habe damit ein hohes Maß an realistischer Freiheit gewonnen, weil ich nicht mehr um jeden Preis alles machen muss.

Warum ich diesen Artikel schreibe

Ich möchte Menschen vor den Investitionsdesastern bewahren, die selbst die Klugen gerne und fast lustvoll anrichten

  • indem sie die Vermögensseite beim Haus- oder Wohnungskauf ignorieren oder nicht richtig betrachten.
  • indem sie sich über Altersvorsorge und Geldanlage bei Menschen „informieren“, die einem harten Interessenskonflikt unterliegen, der zu ihren Ungunsten aufgelöst wird, das heißt zum Abschließen schlechter Verträge führt.
  • indem sie Aktien pauschal verteufeln und stattdessen lieber auf Produkte setzen, die kaum die Geldentwertung ausgleichen und auch nur vermeintlich sicherer sind, oftmals sogar gravierende Risiken beinhalten.

Das alles geschieht, weil sie, egal welchen Bildungshintergrund sie haben, in finanziellen Angelegenheiten kaum die Grundlagen verstehen. Viele Leute sind finanziell noch erheblich dümmer und leichtgläubiger als ich und viel zu stolz, um sich das einzugestehen. Außerdem wollen sie sich nicht mit Finanzkram beschäftigen. Lieber schnell irgendwas machen fürs gute Gefühl, etwas getan zu haben, und dann wieder wochenlang Handyverträge vergleichen, weil das ja so immens wichtig ist, man ist ja total kostenbewusst!

 

Was meines Erachtens in Deutschland fehlt, ist eine erwachsene Risiko-Kultur, also ein nüchternes Bewusstsein für Risiken und ein vernünftiger Umgang damit. Wir bewerten Risiken nicht richtig, haben Angst vor ihnen und scheuen sie deshalb, was uns paradoxerweise oft in heftige Risiken treibt (z. B. Eigenheim), für die wir blind sind. Das ist zwar nicht ganz so unreif wie die verantwortungslose Zockermentalität am anderen Ende des Spektrums. Aber es führt dazu, dass wir real, also nach Abzug der Inflation, fast keine Rendite erwirtschaften und oft sogar verlieren. Von Steuern, die leider auf den Nominalertrag anfallen, die also die Inflation nicht berücksichtigen, habe ich bisher noch gar nicht gesprochen. Je größer die Inflation, desto brutaler schlägt die Steuer zu.

 

Ich investiere in Aktien, aber ich investiere komplett anders als jemand, der 3 bis 20 einzelne börsengehandelte Unternehmen oder aktive gemanagte Fonds auswählt und versucht, ihr Potenzial zu analysieren. Mein Blick auf Börse und Aktien unterscheidet sich fundamental von dem des anderen. Ich halte mich aufgrund der Ergebnisse der Kapitalmarktforschung auf 35 Jahre gesehen für den massiv überlegenen Anleger, werde also hoffentlich viel mehr Rendite einfahren als der durchschnittliche aktive Stockpicker. Und ich habe dabei mehr Zeit für die wirklich schönen Dinge des Lebens und muss nicht immer nervös die Nachrichten verfolgen.

 

Der Nachteil: Ich habe nicht ständig den Kick, wenn es kräftig rauf und runter geht. Außerdem kann ich keine aufregenden Börsen-Geschichten erzählen. Höchstens in 35 Jahren, wenn ich meinen Vermögensendwert mit dem der anderen vergleiche und ihm meinen Lebensstil, der nicht bedeutend schlechter ist, gegenüberstelle.

 

 

Im nächsten Artikel habe ich im nächsten Artikel einige Links und Inhalte gesammelt, die zur vertiefenden Information nützlich sein können.

 

Dieser Beitrag ist Bestandteil einer Serie über ein ETF-Weltportfolio zur Altersvorsorge.

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