Kaufen oder mieten? Rezension von Gerd Kommers Buch über Wohnimmobilien zur Selbstnutzung

Ohne dieses Buch kann der durchschnittliche Immobilien-Interessent nicht kompetent entscheiden. Nach der Lektüre weiß er, auf was er sich einlässt. Das Werk ist konkurrenzlos hochwertig und gehört zur Basisbibliothek solider Finanzbildung.

Gerd Kommer räumt in "Kaufen oder mieten?" mit zahlreichen, verheerenden Immobilien-Mythen auf

Schau dir zu Beginn folgende Aussagen an und setze innerlich Häkchen, wo du zustimmst:

  • Miete zu zahlen bedeutet, Geld zum Fenster hinauszuwerfen.
  • Immobilien sind die perfekte Altersvorsorge.
  • Die Preise guter Immobilien steigen langfristig immer.
  • In einer Top-Lage kann man nicht verlieren.
  • Der Wohneigentümer hat durch seinen Schutz vor steigenden Mieten einen klaren Vorteil gegenüber dem Mieter.
  • Die staatlichen Begünstigungen eines Eigenheims sind entscheidend.
  • Kurzfristige Wertverluste einer Immobilie sind egal, denn man will ja gar nicht verkaufen.
  • Immobilien sind sichere und renditestarke Anlagen, kein Vergleich zum Gezocke an der Börse.
  • Vermietung einer Immobilie ist der Schlüssel zur hohen Rendite für mittelschichtige Privathaushalte.
  • Den Immobilienexperten aus der Branche kann man vertrauen; außerdem weiß ich aus Erfahrung alles, was ich wissen muss, um eine Immobilie in jeder relevanten Hinsicht einzuschätzen.

Wenn du auch nur eine dieser Behauptungen im Ansatz glaubst, solltest du Werbung das Buch lesen. Am besten, bevor du dir eine kreditfinanzierte Wohnimmobilie zur Selbstnutzung oder Vermietung anschaffst. Glaubst du keiner, wirst du trotzdem viel Wichtiges lernen.

Der rationale Investor erwartet bei Immobilien eine deutlich geringere Rendite als am Aktienmarkt

Die wichtigste Information des gesamten Buches befindet sich auf Seite 71. Dort zeigt Kommer tabellarisch für 8 verschiedene, oft sehr lange Zeiträume, dass die Kombination aus Miete und einem Kapitalmarktportfolio, das dem Risikograd einer zu 70 % fremdkapitalfinanzierten Wohnimmobilie zur Selbstnutzung (wohl im europäischen Raum) entspricht, zwischen 22 % und sagenhaften 331 % mehr Nominalrendite brachte, als der Eigentümer verbuchen konnte.

 

Der Mittelwert aller Vorsprünge aus den 8 Fällen beträgt 163 %.

 

Das sind bei den hier vehandelten Größenordnungen und Zeiträumen schnell ein paar hunderttausend Euro, die der Mieter mehr hat als der Eigentümer. Dieses entgangene Geld ist der Preis aller Lebensstilargumente und der charakterlich bedingten Spar-Unfähigkeit eines Mieters, die für eine auf Kredit gekaufte und selbst bewohnte Immobilie sprechen. Darüber sollte sich jeder im Klaren sein.

 

Das hier als Vergleich verwendete Portfolio besteht jeweils zur Hälfte aus mittelfristigen deutschen Staatsanleihen und europäischen Standardwerteaktien. Selbst unter passiven Anlegern, die nicht gerade als die wilden Hunde der Börse verschrien sind (sondern eher als langweilige Warmduscher), gilt eine solche Zusammenstellung als ziemlich ängstlich. Wer den Aktienanteil von 50 % auf 70 % (oder noch mehr) erhöht, holt sich zwar mehr Volatilität ins Haus, macht aber nach allen verfügbaren historischen Daten (ca. 120 - 190 Jahre) nichts falsch.

 

Dass die Assetklasse Aktien weltweit ab einem Zeitraum von 20 Jahren eine erheblich stärkere Performance liefert als selbstgenutztes, kreditfinanziertes Wohneigentum im selben Zeitraum, ist zumindest eine so berechtigte Erwartung, dass man sich einen Apokalyptiker schimpfen lassen muss, wenn man nicht daran glaubt. Mit einer globalen Diversifikation durch die Integration von anderen Industrie- und allen Schwellenländern sowie allgemein kleineren Unternehmen ins Depot lässt sich das Risiko noch weiter absenken und die Rendite leicht erhöhen.

 

Kommer wählt das Vergleichsportfolio eben auch nicht ausschließlich, um zu zeigen, welche Ernte man mit vertretbarem Risiko und einem im Vergleich zur eigenen Immobilie deutlich geringeren Aufwand systematisch am Aktienmarkt einfahren kann. Er wählt es auch, um den Risikograd der Wohneigentümer zu spiegeln. Dass sie ein solches Risiko mit ihrem Häuschen oder ihrer Wohnung eingehen, glauben sie vermutlich nicht, aber es stimmt, und auch das zeigt Kommer vortrefflich.

 

Am zweitwichtigsten in dem Buch ist die kühle Darstellung der zahlreichen Risiken und Kosten, die vor allem das kreditfinanzierte Eigentum an einer Immobilie mit sich bringt. Wir sind gezielten Desinformationen und großem kulturellem Druck ausgesetzt, die uns, oft irrational, ins Eigenheim treiben wollen. Gerd Kommer leistet hier wichtige Grundlagenarbeit, um überhaupt auf Augenhöhe mit denjenigen zu kommen, die einen Wissensvorsprung haben und für sich zu nutzen wissen - zulasten der Käufer. Kommer schafft Voraussetzungen, um von unserem kritischen Verstand überhaupt erst Gebrauch zu machen.

Allein der Umfang von Kommers Immobilien-Büchern sollte dir eine Mahnung sein

Gerd Kommer hat zwei Bücher über Wohnimmobilien vor allem für Selbstnutzer geschrieben. Gut 200 Seiten dichtgedrängter Fakten braucht er, um dem Leser eine Entscheidungsgrundlage dafür zu geben, ob er kaufen oder mieten sollte. Knapp 300 weitere Seiten sind es dann, falls der Leser sich trotz aller warnenden Tendenz fürs Kaufen entschieden hat, Werbung um ihn bei der richtigen Finanzierung zu unterstützen.

 

500 Seiten mit ziemlich vielen Informationen nur für die beiden scheinbar maßvoll komplexen Fragen: Soll ich kaufen und, wenn ja, wie finanzieren?

 

Kontrastiert man diesen Umfang mit dem durchschnittlichen zeitlichen und geistigen Aufwand, den der typische Bürger nach meiner Beobachtung treibt, um die finanziell und wohl auch lebensphilosophisch schwerwiegendste Entscheidung seines Lebens zu treffen und, im Falle des Kaufens, umzusetzen, im vollen Selbstbewusstsein, genug über Risiken, Rendite und alles andere zu wissen, dann öffnet sich ein Abgrund der Selbstüberschätzung.

 

Selbst wenn sich nicht viele Menschen von Kommers Ausführungen vom einmal gefassten Entschluss zu einer eigenen Wohnimmobilie abbringen lassen dürften - zu schwer wiegen für sie die Argumente des Wohlbefindens dafür, die Kommer ebenfalls reflektiert -, ist es Kommers Verdienst, ihnen die Chance zu geben, eine aufgeklärte Entscheidung zu treffen.

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