Rezension "Über Geld nachdenken" von Nikolaus Braun

Nikolaus Braun verbindet in seinem Buch "Über Geld nachdenken" rationale, wissenschaftlich fundierte Vermögensbildung mit Reflexionen zur Nutzung von Geld für ein gelungenes Leben. Es hebt sich von anderen Finanzratgebern wohltuend ab: durch Lebensklugheit, Sensibilität, reichhaltige Erfahrung mit verschiedenen Anlegertypen und sogar menschliche Wärme.

Nikolaus Braun will "über Geld nachdenken"

Die meisten Finanzbuchautoren schauen durch die Geldbrille aufs Leben, Nikolaus Braun macht es umgekehrt: Er schaut durch die Lebensbrille aufs Geld. Entsprechend ist das Buch nicht primär ein technischer Ratgeber zur optimalen ETF-Auswahl, erklärt nicht am besten und tiefsten, was ETFs überhaupt sind, leitet das passive Investieren nicht detailverliebt und universitätsvortragswürdig theoretisch und praktisch her und schlägt auch keine maximal optimierte Lösung mit enormer Produktvielfalt vor. Dafür existieren andere Werke. Braun nennt hier zwar die wesentlichen Fakten und klassischen ETF-Weltportfolio-Umsetzungen, das geschieht aber beiläufig, denn eigentlich geht es ihm um etwas anderes:

 

1. Er will uns vor den gröbsten Fehlern bewahren.

2. Er will uns zu Gelassenheit und Einfachheit erziehen.

3. Er will uns anregen, ein glücksförderndes Verhältnis zu Geld und Vermögen zu entwickeln.

Ein Finanzratgeber rund um das verflixte, liebe Geld und seine Rolle in unserem Dasein

Die schlimmsten Fehler beim Investieren begehen wir nur allzu gerne. Befasst man sich mit dem Anlegerverhalten, wie es die Behavioral Finance, ein Zweig der Verhaltensökonomie, tut, erlebt man eine kathartische Kränkung. An der Börse wird deutlich: Wir sind Affen in Schuhen. Aus der Forschung und seiner langjährigen Beratungspraxis kennt Braun die kleinen und großen psychologischen Tücken sehr genau und weiß sie lehrreich zu präsentieren, nicht nur anhand abstrakter Fakten, sondern immer wieder mittels selbst erlebter Anekdoten. Nebenbei ist es beruhigend zu wissen, dass auch die Vermögenden, die seine Klientel bilden, der Irrationalität und den menschlichen Schwächen oft näher stehen als kühler Abgeklärtheit.

 

Ein verbreiteter Fehler ist ein zu komplexes Depot. Das hält niemand durch, weil es zu viele Fragen aufwirft und mit Optionen zur aufwändigen Mikroverbesserung mit fragwürdigem Nutzen maliziös lockt. Also zwingt der Autor sich zur Einfachheit. Richtig so! Lieber gut durchhalten als perfekt einknicken. Braun setzt seine Leser mit Verve auf das richtige Gleis und warnt vor den Irrwegen sowie den trickreichen Weichen, die den Anleger unbemerkt falsch abbiegen lassen. Ist die Fahrtrichtung klar, kann nicht mehr viel schiefgehen. Ach, es stimmt ja: Wer es genauer wissen will mit dem passiven Investieren und den ETFs, der geht zum Kommer oder zum Weber, aber wer grundsätzlich dem mittlerweile lauten Credo "Einen oder zwei Welt-ETF kaufen und mindestens ein Jahrzehnt halten" vertraut, der hat einen Großteil des Erreichbaren geschafft.

 

Das Leben soll nicht dem Geld dienen, das Geld soll dem Leben dienen. Dafür entwickelt Braun ein Mehrkontenmodell, das er anhand des römischen Trevi-Brunnen visualisiert. Seit dem nächtlichen dortigen Baden in Fellinis Film "La Dolce Vita" steht dieser für das lustvolle, spontane, harmlos enthemmte Leben, und in ihn werfen Menschen Münzen, teilweise im Wert von über eine Million Euro pro Jahr. Glück soll das bringen und Liebe. Ein treffenderes, verführerischeres Bild für sein Kontenmodell, in dem es auch einen Topf für lustvollen Konsum gibt, hätte Braun nicht finden können.

 

Neben der Kunst des Geldanhäufens weist Braun auf die Kunst des Geldausgebens hin, mich vage (und vielleicht falsch) erinnernd an die Allgemeine Ökonomie von Georges Bataille, in der die Wirtschaft erst vollständig ist, wenn sie den Verbrauch oder krasser: die Verschwendung inkludiert. Wie entspannt sich das Verhältnis zum Geld und wie soll es wohin fließen, um die Lebensqualität zu verbessern? Nikolaus Braun stößt uns auf diesen blinden Fleck in unserer Finanzplanung, um uns vor dem Verhungern in der Fülle zu bewahren.

 

Klar: Das Problem muss man erst einmal haben. Viele Menschen wären froh, wenn ihre wesentliche Herausforderung darin bestünde, sich angesichts vor Gewicht ächzender Geldspeicher endlich einmal zu mehr Konsum zu überreden. Braun berät, das wird hier deutlich, wie gesagt, eher Vermögende bis Hochvermögende, vulgo "Reiche", auf die der Witz passt, den Klaus Zapf, durch sein Umzugsunternehmen zum Multimillionär geworden, einst in der Sendung von Harald Schmidt machte. Er musste, ließ er uns wissen, jetzt ein Konto schließen. Weil es voll war.

 

Aber tatsächlich betrifft das auch weniger begüterte Menschen: Wer sein Leben lang Vermögen aufbaut, tut sich schwer damit, es plötzlich wieder zu dezimieren, in Lebensqualität zurückzutauschen und dabei klug vorzugehen. Als kleine Abwandlung des berühmten Kafka-Zitats: Geld muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.

 

Auch andere blinde Flecken bringt Braun uns nahe, etwa Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und Testamente. Das rundet den holistischen Ansatz des Buches angenehm ab, wie unangenehm diese leidvollen Seiten unserer brüchigen Existenz auch sein mögen.

 

Dargeboten wird das alles in einem vom Szene-Sprech weitgehend freien, wohlklingenden Plauderton, als säßen wir mit dem "Niki" (so offenbar der sehr bayerische Spitzname von Braun, wie eine Stelle im Buch verrät) zünftig am Tresen. Dazu passt es, dass er auch geldbezogene Begebenheiten aus seinem eigenen Leben schildert und dadurch menschlich greifbarer wird, ohne je aufdringlich zu sein. Besonders erheitert hat mich hier das Bekenntnis, dass Herr Braun Stimmen hört, die gar nicht da sind. Sein Ferienhaus spricht zu ihm, meistens vorwurfsvoll. Was es sagt, das müsst ihr selbst lesen.

 

Das Buch eignet sich für den Anfänger, der einen leichten und doch tiefen Einstieg allgemein in die eigene Finanzplanung sucht, ebenso für den Fortgeschrittenen, der sich verzettelt hat und selbsterzeugten Stress nicht mehr bewältigt. Beiden zeigt Braun: Na, bleib locker! Geld ist, was du draus machst.