Beziehungen zu Journalisten in der PR: Was sie nützen - Wie sie entstehen - Was sie ruiniert

Viele PR-Agenturen argumentieren für sich mit ihren guten Beziehungen zu Journalisten. In der Medienarbeit unerfahrene Kunden entwickeln dabei schnell falsche Vorstellungen davon, was solche Kontakte bedeuten und was sie ihnen bringen. Hier daher eine Antwort zur besseren Einordnung.

Was nützen gute Beziehungen zu einem Journalisten?

Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, ich sage es aber dennoch:

 

Gute Beziehungen zu Journalisten ersetzen nicht gute Themen und Inhalte.

 

Es gibt keine Gefälligkeitsbeiträge. Journalisten sind auch keine Kollegen eines PRlers im engen, eigentlichen Sinne. Mal eben anrufen und dann publiziert sie oder er meine redaktionell völlig uninteressanten Inhalte, denn wir kennen uns ja so gut – das funktioniert nicht und ist bei entsprechendem Kumpel-hilf-mir-mal-Auftreten eine freche Distanzlosigkeit gegenüber den Medienvertretern.

 

Trotzdem bringen gute Redaktionskontakte viele Vorteile:

  • Der Journalist wird meine E-Mail in seinem vollen Postfach mit höherer Wahrscheinlichkeit sehen, öffnen und etwas aufmerksamer lesen.
  • Am Telefon wird er mir einen Tick länger zuhören.
  • Er wird eher bereit sein, mir ausnahmsweise Tipps zu geben, wie meine noch nicht ganz passenden Themen und Inhalte besser werden könnten.
  • Wenn meine Themen und Inhalte gut sind, er aber nicht der richtige Ansprechpartner ist, empfiehlt er mir möglicherweise einen Kollegen (den ich dann, vielleicht sogar unter Nennung seines Namens, kontaktiere) oder stellt mich bzw. meine Mail direkt zu demjenigen durch.

Wie entstehen gute Kontakte zu einem Journalisten?

Eine gute Beziehung zu einem Journalisten entsteht grundsätzlich, wenn ich ihn, idealerweise mehrfach, dabei unterstütze, erfolgreich zu sein. Er ist erfolgreich, wenn er Inhalte hervorbringt, die die redaktionsinternen Entscheider und die Nutzer des Mediums honorieren. Je größer mein Beitrag zu seinem Erfolg (und je angenehmer die Zusammenarbeit) ist, je mehr ich ihm also Nutzen bringe, desto eher wird er mich im Gedächtnis behalten als einen guten Zulieferer.

 

Wann ist mein Beitrag also wertvoll?

 

Die folgende Auflistung ist hierarchisch nach Wichtigkeit geordnet, mit dem Wichtigsten beginnend.

1. Wenn meine Themen und Inhalte Nachrichtenwert haben, er der richtige Ansprechpartner ist und ihn die mögliche Aufbereitung seines Beitrages beim Pitch sofort anspringt.

Je mehr passenden Input ich ihm zu einem möglichst viele Nachrichtenfaktoren möglichst stark aufweisenden Thema liefern kann, desto besser.

2. Wenn meine Behauptungen wahr sind.

Selbstverständlich wird er sie, vor allem bei sensiblen oder komplexen Themen, kritisch prüfen nach allen Regeln seiner Kunst. Wenn sich dann herausstellt, dass sie wahr sind, schätzt er mich. Erweisen sie sich als Luftnummern, schätzt er mich nicht.

 

Zuspitzen – erlaubt, sogar in Maßen gerne gesehen.

 

Beschönigungen, Einseitigkeit, leichtes Ausweichen auf unangenehme Fragen – nun, das nimmt er in Kauf bei von Partikularinteressen geleiteter Kommunikation, die PR selbstverständlich ist; das toleriert, akzeptiert, erwartet er zum Teil sogar.

 

Klar Unwahres sagen, sogar bewusst, also lügen – das fördert das Vertrauen nicht.

3. Wenn ich professionell arbeite und die Zusammenarbeit unkompliziert klappt.

Meine Inhalte müssen handwerklich sauber gestaltet und auf den Journalisten sowie das Medium ausgerichtet sein.

 

Er muss sich auf mich verlassen können. Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann, antworte zeitnah, rudere nicht im letzten Moment zurück, bin generell gut erreichbar, liefere pünktlich, bin fair, trickse nicht unlauter, nerve nicht.

 

Ich verstehe und respektiere, wie er arbeitet und welche Rollen wir beide jeweils einnehmen.

4. Wenn das Zwischenmenschliche stimmt.

Es hilft, wenn ich seine Artikel auch dann lese und ggf. konkret (!) lobe, wenn ich darin nicht vorkomme und auch aktuell keine Themen und Inhalte anzubieten habe.

 

Wenn ich ihm helfe, obwohl ich davon nicht unmittelbar profitiere, z. B. indem ich ihm auf seine Nachfrage einen Experten nenne oder sogar vermittele, den er auf anderen Wegen nicht oder nur mit erheblich höherem Aufwand selbst recherchieren und kontaktieren könnte. Meine Bereitschaft dazu sollte ich ihm auch gezielt kommunizieren.

 

Wenn meine Freundlichkeit, mein Interesse, meine Wertschätzung und mein Respekt echt und nicht rein funktional auf meinen Vorteil gerichtet sind bzw. davon abhängen, dass er meine Themen und Inhalte aufnimmt.

 

Wenn er mich als Mensch mag, mich das eine oder andere Mal persönlich getroffen hat und, bei längerer Bekanntschaft, gerne auch abseits des Fachlichen, Sachlichen und in der Situation Wichtigen mit mir plaudert.

 

Über einen wirklich persönlichen Geburtstags-, Weihnachts- oder Neujahrsgruß freuen sich grundsätzlich auch die meisten Menschen.

Was ruiniert meine Redaktionskontakte?

Ganz einfach: Wenn ich mindestens eines der vier Kriterien zur Entstehung guter Kontakte wiederholt nicht erfülle.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0